Ich komme gerade von einer sehr schönen Abendmeditation – auch wenn ich es mal wieder ein bisschen versemmelt habe. Wir sollten auf dem Roof unseres Hostels eine halbe Stunde in einer für uns bequemen Position den Mond anschauen, ohne dabei mit den Augenlidern zu Blinken. Erstens war mir kalt – ich bin eine ziemliche Frostbeule. Dann fingen meine Augen nach 10 Sekunden zu brennen an, dann juckte es mich am Kopf und dann konzentrierte ich mich so sehr darauf, nicht zu blinken, dass ich 10 mal mehr blinkte als sonst. Großartig performed, Frau Sarges. Zum Glück habe ich noch zwei Wochen, um diese Meditationsnummer im “Schutz” von Tattvaa Yoga zu üben, bevor es in die große weite Yogawelt Indiens geht. Das heißt, eigentlich sind es NUR noch zwei Wochen …kaum zu glauben, wir haben tatsächlich schon Halbzeit.
Die tägliche Routine, die Vertrautheit mit der wir in der Gruppe miteinander umgehen, die Tatsache, dass ich manchmal schon vor dem Weckerklingeln wach werde und die Shopbesitzer uns schon von weitem Grüßen, geben mir das Gefühl, dass ich das alles schon ewig mache. Auch mein Körper fühlt sich verdammt wohl bei der Sache. Jeden Tag breche ich ein Stückchen mehr aus meinem eigenen Käfig aus und entdecke neue Kraft und Flexibilität. Mein Oberschenkelmuskel hinten links, der mir schon gefühlt seit Jahren Probleme bereitet, scheint sich langsam aber sicher zu entspannen. Mein Körper erinnert sich wieder an Schulter- und Armmuskulatur, die ich zu Zeiten meines Kunstturntrainings mühsam aufgebaut und über die Jahre viel zu schnell wieder verloren habe – zack, der Körper vergisst nicht. Wie die Tasten eines Klaviers werden manchmal aber auch vergessene Schmerzen angeschlagen, die schwach nachklingen und nie so stark sind, dass sie mich vom Üben abhalten. Wie um “Tschüss” zu sagen ist diese kleine Sensation auch schon wieder nach einem halben Tag oder sogar weniger vorbei. Man hatte uns schon darauf vorbereitet, dass so was durch die intensive Yoga Praxis passieren kann. Da wird einiges wieder freigelegt und ähnelt auch stark einem Frühjahrsputz.
Und Frühjahrsputz ist hier auch genau das richtige Stichwort (1 A Überleitung:-)). Denn ab morgen werden wir von allem Balast befreit und die Karten vollkommen neu gemischt. Wie das geht? Das Zauberwort heißt Kryas – körperliche Reinigungstechniken, die den Energiefluss im Körper wecken. Zwei davon haben wir schon letztes Wochenende kennen gelernt. Seitdem schütte ich mir allen Ernstes morgens um 5.30 Uhr Salzwasser durch die Nasenhöhlen (Nasendusche) und ziehe mir einen Plastikband vom Nasenloch bis in den Hals durch den Mund, um meine Nebennasenhöhlen frei zu machen. Das hätte ich auch nicht geglaubt, hätte mir das einer vor ein paar Wochen gesagt. Tatsächlich ist das eine sehr reinigende Kur, die von jeglichem Ballast befreit, auch mental. Denn es gehört schon einiges an Überwindung dazu, Mamas Worten “stopf dir niemals was in die Nase” so rigoros zu widerstehen. Morgen ist der Verdauungstrakt dran. Wieder Salzwasser, ca. 3-5 Liter und ab damit in den Bauch. Zwischendurch noch ein paar aktivierende Asanas und dann kann sich ja jeder in etwa ausmahlen, was dabei rauskommt.
Vollkommen clean und mental federleicht starten wir dann also in die zweite Hälfte des Trainings. Konnten wir die ersten zwei Wochen noch wohlbehütet in unserem Workoutraum oben im Hostel Asanas, Adjustments und Teaching üben, so geht es ab nächster Woche ins große Shala, wo auch die Allgemeinheit an den Mysore Klassen teilnimmt. Das heißt, Matte an Matte mit Pilgern aus aller Welt, die nur wegen Kamals Klassen nach Rishikesh gekommen sind. Das ist ja eigentlich auch kein Ding, aber wir sollen ihm auch gleich assistieren und unsere neu erlernte Kompetenz am echten Yogi ausprobieren. Ich sehe mich jetzt schon ganze Menschenreihen wie die Dominosteine umschmeißen. Aber so bleibe ich zumindest in Erinnerung:-). Wahrscheinlich bekommen wir außerdem die Möglichkeiten, die Klassen im kleinen Tattvaa Shala direkt am Ganges zu unterrichten. Geführte Ashtanga LED Klassen, 60 Minuten für Beginner. Ich habe somit noch so einiges vor in den nächsten zwei Wochen, Vorfreude und Kribbeln im Bauch inklusive.
Hallo Steffi, Respekt! 😉
…Vor der Aktion mit dem Plastikband! Nasenduschen mache ich auch gerne, gestehe ich. Dennoch bleibt mir der Aspekt der “Reinigung” noch immer ein Rätsel. Warum geht man stets davon aus, dass wir inerlich “schmutzig” sind, uns entgiften, entschlacken, und reinigen müssen?
Wie siehst Du das?
Silke
Liebe Silke,
stimmt, dieses Vorgehen ist für uns Westler tatsächlich ziemlich ungewöhnlich. Wir waschen uns täglich die Haare, die Haut, putzen die Zähne usw. – alles äußerlich. Da fühlt es sich schon seltsam an, Körperbereiche zu reinigen, die wir zwar fühlen können, aber nicht sehen. Es hat mich auch einiges an Überwindung gekostet. Abgase, Zusatzstoffe im Essen, Spritzmittel auf unserem Obst etc. nehmen wir aber doch genauso durch unsere Nahrung oder unseren Atmen in unseren Organismus auf. Warum also nicht auch mal den Körper von innen dabei unterstützen, sich von diesen Schadstoffen zu befreien? Mir leuchtet das ein, irgendwie. Und jetzt, da ich mich daran gewöhnt habe, finde ich auch gar nichts seltsames mehr dabei. Es fühlt sich super an – frei und leicht:-)