/ DIARY /

Zeit für einen neuen Namen.

Und plötzlich war meine letzte Woche in Indien angebrochen – zumindest für die nächsten paar Monate – und alles ging ganz schnell. So spontan wie ich mein Flugticket nach Bali gebucht habe, um dort als Yogalehrerin zu volontieren, so spontan saß ich auch schon im Bus nach Manali. Und genauso schnell wie ich da drin saß, war ich auch schon wieder draußen und hockte wortwörtlich auf der Straße. Denn mein Kumpel U. und ich hatten uns mitten in der Nacht dazu entschieden, aus dem gemütlichen Semi-Sleeper Bus auszusteigen, und den Weg nach Parvati Valley anzutreten. Schließlich müsse ich ja in meiner letzten Woche noch mal was GANZ ANDERES sehen, meinte er. Kaum ausgestiegen und schlaftrunken den Backpack aus dem Laderaum des Buses gezerrt, wurden wir auch schon von Taxifahrern belagert, die uns für unser Traveler-Budget nicht zumutbare Preise für die Fahrt weiter in das Bergdorf Tosh anboten und sich einfach nicht erweichen ließen. Hier ging es übrigens umgerechnet um einen Euro…aber es geht ja auch ums Prinzip, irgendwie. Naja, dieses Prinzip war es uns dann tatsächlich Wert, nachts zwei Stunden in dem wirklich hässlichen Städtchen Bunthar (sorry Indien) auf der Straße zu hocken und auf den Local-Bus zu warten…wir hatten es nicht anders verdient und die Erfahrung in einem Bus drei Stunden engste Serpentinen entlang zu donnern, zu hüpfen oder auch zu sliden sollte wohl jeder mal gemacht haben. Was in Deutschland schon seit 10 Jahren verschrottet worden wäre, fährt hier noch 20 Jahre weiter. Und die Art und Weise wie Busfahrer und Schaffner mit Hilfe von Trillerpfeife und Blickkontakt kommunizieren, um auf engsten Bergstraßen – die in meinen Augen nur Platz für einen Mini bereithalten – zwei Busse nebeneinander (einer scharf an der Klippe) vorbeizumanövrieren, ist schlichtweg beeindruckend, wenn auch ein ganz kleines bisschen beängstigend. Irgendwann also sind wir dann in Tosh angekommen, eines von mehreren Bergdörfern in Parvati Valley, hoch auf dem Berg gelegen. Vier Tage Down to Earth, ein Zimmer mit Bett und Kerze – ganz wichtig, wegen der Stromausfälle. Warmes Wasser nur dann, wenn es die Sonne gut mit uns meinte und die Wassertranks auf dem Dach des Hostels bestrahlte, vielen Pferden, Eseln und ganz vielen Isrealis, in Relation zu der Gesamtanzahl an Indern auf dem Berg. Denn was ich vor meinem Trip nach Indien nicht wusste ist, Israelis lieben Indien. Somit bist du in Indien entweder Inder, Israeli oder Tourist. Das sagt so ziemlich alles und erklärt warum man teilweise mehr israelische als indischen Gerichte auf der Karte findet. Vier Tage diese überwältigende Stille und Energie der Berge und das Gefühl, Teil eines großen Ganzen zu sein – leider aber auch ein verdammt kleiner. Und daraus resultierend beschlich mich mehr und mehr die Gewissheit, so gar nicht die Fäden in den Händen zu halten und ich wurde nervös…

Ich habe im Laufe meiner Reise einen Spitznamen wegbekommen. Vorname “Sofort” (das Wort habe ich eingeführt, da ich es für wichtig halte:-)) Nachname: “to make sure”. Denn da in Indien eigentlich nie etwas “Sofort” passiert, habe ich stets das große Bedürfnis “to make sure”, was sich durch meine gewissen Minderwertigkeitskomplexe gegenüber der Kraft der Berge in Tosh nicht wirklich verbessert hat. Und getreu dem Motto “Angriff ist die bester Verteidigung” habe ich also begonnen, alles bis ins kleinste Detail durchzuplanen. Das Busticket von Parvati zurück nach Delhi habe ich gleich einen Tag nach meiner Ankunft in Parvati Valley gekauft und die vier Tage auf dem Berg dazu genutzt, alle Eventualitäten auszuschließen – um dem Schicksal einen Schritt voraus zu sein. Bei meiner Rückfahrt hing ich demnach vier Stunden in Bunthar ab, da ich viel zu großzügig geplant hatte und endete vor lauter Verzweiflung und noch benommen von drei Stunden Local-Bus-Slide im Bunthar “Beauty Salon”, um mir die Haare schneiden zu lassen. Mein “F***” gefolgt von einem STOP kam reichlich zu spät, so dass ich nun einen zum Reisen wunderbar praktischen Bob auf meinem Kopf trage. Noooooo Attachements… Bei 45 Grad im Schatten, kein Wind, dafür aber ganz viel Staub habe ich lieber einen Tag und eine Nacht unterm Ventilator in Delhi geschwitzt, anstatt den Bus zu nehmen, der am Tag meines Fluges morgens in Delhi angekommen wäre. Und der Kopf, ja der Kopf, der hat keine Ruhe gegeben. Hatte ich die eine Eventualität “sicher gestellt”, hatte ich mir auch schon wieder etwas neues ausgedacht. Viel zu selten war ich im Moment und habe meine letzten Tag in Indien und Tosh mit seinen Wasserfällen, den Bergen, den verschneiten Wipfeln und den herzlichen Bewohnern wirklich gesehen und genossen. Viele, viele Stunden habe ich mit Warten verbracht, habe Puffer zu großzügig geplant – “Just to make sure…”.

Letztendlich bin ich natürlich froh, dass alles reibungslos geklappt hat. Ich sitze nun hier auf Bali. Morgen holt mich mein “Kollege” L. mit dem Scooter ab und wir fahren ins Retreat, ca. eine halbe Stunde von Ubud entfernt. Damit geht schlichtweg ein Traum für mich in Erfüllung: Yogalehrerin in einem Retreat auf Bali. Woooaaaawww. ABER, wenn ich die letzte Woche reflektiere, habe ich das Bedürfnis etwas Grundsätzliches zu ändern. Und mir kommt ein Spruch in den Sinn, den ich bei Tushita an der Wand gelesen habe: “If it can be remedied, why be upset about it? If it cannot be remedied, what’s the use of being upset about it?”

Ich denke, es ist an der Zeit für einen neuen Namen. Schluss mit “Sofort” und “to make sure”. Akzeptanz, Loslassen, Vertrauen hört sich schon etwas besser an. Wie genau er allerdings lauten wird, weiß ich noch nicht. Ich halte euch aber auf dem Laufenden!

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Steffi Sarges

PR Beraterin & Yogalehrerin Ihr Lebensmotto “Don´t forget to play” kam bei all der Arbeit in den letzten Jahren etwas zu kurz. Darum hat sich Stefanie für 2014 dazu entschieden, wieder mit dem "Spielen" zu beginnen, tief durchzuatmen und das Jahr ihrer größten Leidenschaft zu widmen - dem Yoga. Während ihrer Reise durch Indien wird sie eine zweite Ausbildung machen, um sich danach vom roten Yogafaden leiten zu lassen - durch das Land und zu sich selbst. Von ihren Erfahrungen wird sie hier regelmäßig berichten.

F: Stefanie.Sarges W: instagram.com/stevexs

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