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Tantra: Wachstum in Lebendigkeit.

Es war ein düsterer Freitag Morgen im Juni als ich auf dem Weg nach Berlin zu meinem ersten Tantra Seminar bei Margot Anand war. Der Regen kam in Sturzbächen vom Himmel und ich fragte mich, ob und was für eine Art
von Vorzeichen die allgemeine Wetterlage für dieses Wochenende sein könnte. Tantra, welches sich nach Margot mit der Verbindung von sexueller Ekstase zum spirituellem Erwachen beschäftigt, spielt sich hauptsächlich im zweiten Chakra ab. Und das ganz ohne Räucherstäbchen, Yoni Ei oder sonstigen spirituellen Accessiores. Dieses ist nicht nur das Zentrum unserer Sexualität und Kreativität, sondern auch das der Gefühle, des Unterbewusstseins und der persönlichen Beziehungen. Dieses Chakra entscheidet auch, wie wir uns in Beziehungen verhalten und wie wir Verbindungen zulassen. Zugeordnetes Element: Wasser. Da hatte ich sie schon, meine Parallele zu den nicht aufhörenden Schauern draußen. Zwar wenig beruhigend angesichts meiner aufkommenden Nervosität, aber auch ein wenig mystisch.

Zwei Stunden später sitze ich mit circa 50 anderen Menschen in einem Seminarraum mitten in Kreuzberg. Das Licht gedimmt, sanfte Mantrenmelodien, die sich mit dem allgemeinen Getuschel der Anwesenden vermischen, und vor mir auf der Bühne ein Stuhl, der mit farbenprächtigen Samtstoffen abgehangen ist. “Fast wie der Thron einer Königin”, flüstert mir meine Freundin kichernd ins Ohr. Eine Tantra-Queen, die sich selbst gekrönt hat, dachte ich nur nickend, denn ich hatte schon eine Zusammenfassung von ihrer Biographie gelesen, die sie heute Abend vorstellen wollte. Als sie endlich den Raum betritt wird es schlagartig still und man hört fast das Knistern in der Luft. “Bonsoir meine Freunde, ich freue mich heute Abend hier zu sein”, sagt sie charmant, aber bestimmt mit ihrem flüssigen Englisch, welches immer noch die Spuren eines französischen Sing-Sangs in sich trägt. Wir beginnen mit einer kurzen Meditation gefolgt von der Lesung ihres Buches, gemischt mit zusätzlichen Anekdoten. Gebannt, amüsiert und voller Freude hängen wir zwei Stunden an ihren Lippen und lauschen Geschichten die von Liebe, Sex, Leichtigkeit und Abenteuer, aber auch von Zurückweisung, Betrug, Verlust und Vertrauensbrüchen handeln. Eine Mischung wie im richtigen Leben, bis ins Letzte ausgekostet und gespickt mit spirituellen Highlights wie die Begegnung mit Osho, die Teilnahme am Woodstock Festival oder das Konsumieren von LSD unter der Anleitung von Timothy Leary. Die anschließenden zwei Seminartage hört es nicht auf zu regnen und auch bei uns Teilnehmern fliesst es: Tränen der Trauer vermischen sich mit denen des Lachens, der Schweiß der Angst wechselt sich mit dem der Hingabe ab.

Als wir am Sonntag Nachmittag das Seminar verlassen, scheint das erste mal die Sonne und wir stehen noch ein paar Minuten auf der Straße: Das warme Licht des Himmels trifft auf das Lachen der anderen Teilnehmer, irgendwo hupt ein Auto und es riecht nach Himbeeren. “Ich fühle mich so verbunden mit mir selbst und allem anderen wie noch nie”, sagt meine Freundin. “Kann das nicht immer so sein?” frage ich zurück. “Nein, sonst würden wir uns keine Mühe mehr geben uns zu erforschen!” sagt sie lachend und lädt mich auf ein Eis ein.

Die Biographie von Margot Anand ist kürzlich auch auf Deutsch erschienen. Unter dem Titel “Sky Dancing Tantra – Von sexueller Ekstase zu spirituellem Erwachen” ist sie für 19,90 Euro im Reichel Verlag erhältlich.

Fotocredit: Romina Farias via Unsplash

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