Und wieder einmal sitze ich auf gepacktem Backpack und Yogamatte, um einen neuen Abschnitt meiner Reise zu beginnen. Vier sehr intensive Wochen als Yogalehrer im Bali Silentretreat liegen hinter mir. Manchmal war ich einfach nur glücklich, manchmal hätte ich am liebsten gekotzt, weil mir einfach alles gegen den Strich ging. Ich habe hier im Retreat gelacht, geheult war genervt und habe genervt. Ich fühlte mich klein, ich fühlte mich unbesiegbar…und alles in Highspeed Tempo wie auf der “German Autobahn”. Im Bali Silentretreat durfte ich auf persönlicher Ebene und als Yogalehrer einen großen Schritt nach vorne machen – mit seiner Stille, seinen Geistern, Engeln und Eulen. Den Gästen, die mich in meinem Unterrichten so viel weiter gebracht haben und der Volunteer-WG, die jeden einfach sein lässt, wie er ist.
Das und noch vieles mehr hat die vier Wochen hier schon lohnenswert gemacht. Doch wenn ihr mich fragt, “was war dein Highlight”, ist es eine Aufgabe, zu der ich eher unfreiwillig gekommen bin – und zwar in Form einer neuen Volontärin, die ins Retreat kam, um zu unterrichten. F. aus Paris, die gerade frisch ihr Teachertraining gemacht hat, war allerdings noch nicht bereit, das auch zu tun. Nicht, weil sie von Grund auf nicht dazu in der Lage war, sondern einfach, weil sie es sich selbst nicht wirklich zugetraut hat. Außerdem hat sie eine Ausbildung in einem Yogastil absolviert hat, der einer festen für das Bali Silentretreat absolut nicht anwendbaren Sequenz folgt. Nur ein Beispiel, Schulterstand und Brücke kommen hier gleich am Anfang als “Warm up”, während man von Bauchlage auf den Rücken, von hier wieder auf den Bauch rollt, um dann seinen Weg in den Stand zu finden, obwohl die darauffolgende Asana doch wieder auf dem Boden stattfindet. Da A. aus Berlin bereits ihre Reise nach Hause angetreten hatte, war es dann allein an mir, F. “teachingfit” zu machen. Jeden Tag also verbrachte ich Zeit damit, mich von ihr unterrichten zu lassen, ihr Feedback und Hausaufgaben zu geben. Sie aufzubauen, zu motivieren, Tipps und hin und wieder auch mal einen Tritt in den Hintern zu geben. Dabei immer darauf bedacht, ihr ihren erlernten Yogastil nicht völlig zu nehmen, auch wenn ich Schulterstand und Brücke am Anfang der Sequenz dann doch gestrichen habe.
Und gestern Morgen nach zwei Wochen “Teacher-Training” war es dann soweit. F. unterrichtete ihre erste Stunde. Mit stolz geschwellter Brust saß ich auf meiner Matte in der ersten Reihe und war dabei, als sich mein “Schützling” die Aufregung und die Selbstzweifel regelrecht von der Seele teachte und eine richtig, richtig schöne Stunde gegeben hat. Und als sie sich am Ende bei den Students bedankt und mir ganz glücklich ein leises “Thank You” zugeflüstert hat, da hatte ich – jaaaaa, ich gebe es zu – ein bisschen Pipi in den Augen. Ein schöneres Abschiedsgeschenk hätte ich mir wohl kaum wünschen können – dass das Teilen und Weitergeben meiner bisher gesammelten Erfahrung, meines Wissens und meiner Passion für Yoga jemand anderem dabei hilft, sich einen kleinen Traum zu erfüllen, das hat noch mal eine ganz eigene Qualität…
Äußerst positiv gestimmt und mit einer Menge neuer Eindrücke, Erlebnisse und Erkenntnisse verlasse ich also heute das Retreat, um Bali nun mit ganz neuem Selbstbewusstsein zu erkunden – mit meinem Scooter, denn mit dem cruise ich mittlerweile (wie ich finde) verdammt lässig durch die Gegend:-) Pünktlich zum Endspiel der Fußball WM heute Abend treffe ich Freunde in Canggu, um dort das Spiel zu sehen und eine Woche gechilltes Beachlife zu genießen – muss ja auch mal sein. Danach geht’s wahrscheinlich weiter nach Amed, nordöstlich auf Bali. Hier habe ich – wenn alles glatt läuft – wieder die Gelegenheit, in einem Retreat direkt am Meer mit dem Fokus auf Yoga, Tanz und Ayurverda zu unterrichten. So gut und wichtig die Zeit auch hier war, wenn ich mir so anschaue, was vor mir liegt, freue ich mich nun aber auch wie ein Keks, wieder meine Flügel auszubreiten und frei drauflos fliegen zu können.
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